Das künstlerische Tun Margot Bergers ist ein entscheidendes Medium der Selbstreflexion, der Umsetzung von Lebenserfahrungen in symbolisch-meditative Bildwelten. Dieser Weg der Transformation ermöglicht es ihr, innere Bilder und Visionen, die eigene Sehnsüchte, Wünsche, Ängste und Zweifel berühren, anzunehmen und zu fixieren. Das Ergebnis sind subtile Bildkompositionen, die geheimnisvolle Wirklichkeiten und Wahrheiten offenbaren. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeiten bilden Raum- und Landschaftsbeschreibungen. Diese geben keine realen Orte wieder, sie sind Imaginationen.
Der französische Philosoph Michel Foucault stellt in seinem Aufsatz „Andere Räume“ fest, dass die aktuelle Epoche eher eine die des Raumes als die der Zeit sei. Die eigentliche Entdeckung Galileis sei nicht so sehr jene, dass sich die Erde um die Sonne drehe, „sondern die Konstituierung eines unendlichen und unendlich offenen Raumes.“ Ist der Raum seit dem 17. Jahrhundert einer, der für die Ausdehnung steht, so bietet sich der heutige Raum in der Form von Lagebeziehungen dar. Gemeint ist der Umgang mit Raum und jenen notwendig gewordenen Regelungssystemen wie Zuordnung, Markierung, Datenspeicherung.
Neben dem Raum des Außen gibt es den Raum des Innen. Es kann der Raum der Träume sein, der Phantasie. Margot Berger bringt die Räume des Außen und Innen zusammen, die Übergänge scheinen eher fließend zu sein. Es entstehen Zwischenwelten, die der menschlichen Phantasie und Existenz einen Raum, eine Art innere Freiheit geben.
Margot Berger knüpft in ihrer Malerei durch das Prinzip von Kombinatorik und assoziativem Gedankenspiel an Bildkonzepte des Surrealismus an. Vom Stimmungsgehalt her, dem Vorherrschen von Entrücktheit, Melancholie, Dingverrätselung, sind Einflüsse der Pittura metafisica gegeben.
In vielen Arbeiten erscheinen immer wieder Schriftdokumente, beschriebene Steintafeln, Briefbögen, Bücher. Die Beschäftigung mit dem Medium Sprache geht mitunter so weit, dass reine Schriftbilder entstehen.
Die verschiedenen Medien durchdringen sich wechselseitig. Zwischen Wort und Bild, Gehör und Auge gibt es ein stetes Hin und Her. Worte erzeugen Bilder, Klänge und Farben geben Stimmungen wieder. Das Schreiben und das Zeichnen werden von der Ausdruckskraft der Linie bestimmt. Die Schrift als grafisches Zeichensystem dient der Fixierung von Gedanken. Die Sprache der Bilder mit ihren vielgestaltigen Formen und reich differenzierten Farben ruft verborgene Vorstellungen hervor, die wie ein Echo aus einer anderen Wirklichkeit heraus erscheinen.
Manche ihrer Arbeiten beziehen sich auf Aussagen der Philosophie, der Religion, der Poesie. Ihre visuell-bildnerischen Interpretationen werden so zu einem eigenen kreativen Dialog mit dem geschriebenen Text.
Als ein Leitmotiv der Kunst Margot Bergers hat sich die Frage und Suche nach dem Raum herauskristallisiert. Dabei geht es ihr um einen erweiterten Raumbegriff, der vieles umfasst: Naturraum, Bühnenraum, seelischer Innenraum, Denkraum, Einsamkeitsraum, Erinnerungsraum, Spielraum, offener und konstruierter Raum etc.. Eng damit verbunden sind Reflexionen über das Dasein.
Dietlinde Schirmacher, Kunstwissenschaftlerin
Sämtlichen Ölgemälden von Margot Berger liegt eine langfristige Bildfindungsphase zugrunde. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Reiseerlebnisse (Wüstenbilder), Alltagserfahrungen sowie literarische Anregungen. Nicht zuletzt ausschlaggebend sind universal existentielle Reflexionen zu Knotenpunkten, Scheitelpunkten des menschlichen Daseins; darunter rangieren etwa Abschied und Aufbruch, Trauer und Glückssternstunden oder Reservate der Erinnerung. Ihre Schwerpunkte definiert die Künstlerin mit innovativen Auslotungen, die „Aspekte des Lebens“ auffächern. Aus einem dezidiert ausgeheckten Gedankenkomplott erwächst schlussendlich eine stets polyvalente Bildfindung.
Die Koordination von themenspezifischen Motiven und Bildkontexten konkretisiert die Künstlerin zunächst mittels einer minutiös ausformulierten Leinwandzeichnung. Auf dieser Matrix entstehen in zeitintensiven Prozessen nuancenstarke Ölgemälde (Lasurentechniken) mit altmeisterlicher Patina. Nahtlose oder gleitende Übergänge kennzeichnen eine an Geheimnissen, Fiktionen, Allegorien oder spielerischen Operationen dichte Bildsprache mit Anmutungen wie pittoresk, lyrisch, melancholisch, metaphysisch, versonnen bis kontemplativ oder kapriziös.
Eine Sonderstellung nehmen Serienbilder ein, die sich mit den assoziativen Potentialen von Chiffre, Schrift oder Ornament auseinandersetzen.
Die eigentümliche, befremdliche Spannung und Rätselhaftigkeit szenischer Bildräume beruht im wesentlichen auf Dualismen, Diskrepanzen oder auf antagonistisch agierenden Bildmotiven. Evident werden bildlogische Brüche (Fremdkörper, inszenierte Wirklichkeiten), sowie befremdlich anmutende Einblendungen, die wiederum perspektivische Reibungen oder Dimensionsverschiebungen auslösen. Dabei geht es nicht um die Evokation eines surrealen oder traumhaften, absurden Ambientes sondern um „Öffnungen zu einer anderen Welt“, also um suggestive Ausweitung der Ebenen und Reichweiten von: Situation, Kontext, Zeit und Raum.
Das Kapitel Polaritäten findet sein formalästhetisches Äquivalent in Kompositionen wo Licht und Schatten, Statik und Dynamik, Symmetrie und Asymmetrie, Mythos, Kosmos und Alltag, Illusion, Irrealität, Vision und Wirklichkeit, Stille, Stagnation und Unruhe, Bewegung sowie ein Plural von Formenkontrasten breit schattierte Synthesen eingehen.
Christina zu Mecklenburg, Kunstkritikerin, Kulturjournalistin